Pancheons, Gills und Syllabubs unter der Kuh – Herausforderungen beim Übersetzen alter Kochbücher (Teil 1)

Ein gutes Kochbuch kann spannender sein als ein Krimi und vermittelt auch einen guten Einblick in kulinarische Vorlieben, Bräuche und sogar in das gesellschaftliche Leben. Besonders alte Kochbücher sind auf diesem Gebiet sehr spannend.  Man stelle sich vor, heutzutage einen Satz in einem Kochbuch zu finden, wie diesen:

“[The recipes] are drawn up in a style so plain and

minute, as to be perfectly intelligible to servants, and persons

of the most moderate capacity.”

SEVENTY-FIVE RECEIPTS FOR PASTRY CAKES, AND SWEETMEATS BY MISS LESLIE, OF PHILADELPHIA. 1832 

Nicht besonders nett, die Ansichten einer Dame von Welt,  nicht wahr? Aber nichtsdestotrotz spannend.

Ich habe mir also vorgenommen, ein paar dieser alten Schätze zu übersetzen, zu meinem Vergnügen, aus Interesse und weil einige dieser Rezepte sich wirklich ganz interessant anhören und nur ein wenig modernisiert werden müssen.

Beim Lesen der Bücher stellte ich fest, dass dieses vermeintlich einfache Unterfangen doch schwieriger werden würde als gedacht.  Ein gill? Einfach, das entspricht etwa 118 ml, aber ein hogshead? Ein teacup? Wie groß mag der wohl gewesen sein im Vergleich zu einem cup; was ist der Unterschied zwischen einem tablespoon und einem  rounded tablespoon in Bezug auf die Mengenangaben? Und das sind nur einige Beispiele für die Probleme mit Maßangaben. Heutzutage gibt es zwar überall Messbecher und Messlöffel, die den amerikanischen Angaben entsprechen (dank des Siegeszugs der Muffins und Cupcakes), aber sollte ich lieber die Variante mit Gramm und Milliliter wählen?

Die Kochutensilien? Eine dry cow? Ein pancheon? Oder gar ein porringer?

Langsam wird mir klar, worauf  ich mich eingelassen habe.

Und erst die Zubereitungsmethoden:

A Worcestershire Syllabub: Fill your Syllabub-pot with Cyder, put in a good Quantity of Sugar, and a little Nutmeg; stir these well together; then put in as much thick Cream by two or three Spoonfuls at a time, as if you were milking it; then stir it round very gently, and let it stand two Hours, then eat it. If it be in the Field, only milk the Cow into the Cyder, &c. and so drink it.              John Nott The Cooks and Confectioners Dictionary London 1723 S. 189.

Ich glaube, diese Zubereitungsart könnte heutzutage nicht mehr ganz den Hygieneanforderungen (und dem Geschmack) entsprechen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass kaum jemand eine Kuh im Garten hat. (Wobei Mr. Nott diese Methode wohl nicht selbst getestet hat und sich der Mythos durch berühmte Kochbücher von Hannah Glasse und Mrs. Beeton weiterverbreitet hat.)

In vielen Rezepten wird vor dem Backen erst einmal die Butter hergestellt und gewaschen, das macht heute niemand mehr, aber weglassen möchte ich es auch nicht.

Die Mysterien hören nicht auf:

Kann man die heutige Butter mit der Butter von damals vergleichen? Wahrscheinlich nicht, aber welche Auswirkungen hat dies  auf das Rezept, muss man mehr Sahne dazugeben, damit es so schmeckt wie damals?

Milch – die war damals fetter,  nicht pasteurisiert – wie verändert sich die benötigte Menge. Auch hier stellt sich die Frage, ob ein Teil der Milch durch Sahne ersetzt werden sollte.

Eier – Leider kann nicht jeder ein Huhn im Garten halten, aber bei einigen Rezepten benötigt man „legefrische, warme“ Eier. Haben diese superfrischen Eier andere Eigenschaften beim Backen und in Crémes, schmeckten sie anders – ganz bestimmt taten sie das – und welche Größe hatten die Eier?

Mehl – Damals gab es nicht so fein gemahlenes Mehl wie heute,  ganz abgesehen davon, dass amerikanische Mehlsorten anhand des Anteils von Proteinen und deutsche Mehlsorten anhand der „Asche“ typisiert werden. Wie soll man also angegebene Mehlsorten „ersetzen“?

Wie man sieht, es wird ein Mammutprojekt und ich freue mich drauf.

Ich werde nach und nach einige Kapitel hier veröffentlichen und – so ich denn keine eigene Kuh benötige – auch einige Rezepte nachkochen und über das Ergebnis berichten.

PS:

Pancheon – eine Schüssel aus rotem Ton, die nur auf der Innenseite lasiert ist und früher zum Brotbacken oder aber Trennen von Rahm und Milch genutzt wurde.

Teacup –  entspricht einem knappen ¾ Cup, ca. 177 ml.

Hogshead – 1 hogshead  entspricht ca. 238 Liter. (übrigens entsprechen 2 hogshead einem butt)

Daisy beater –  Gerät zum Verrühren von Eiern. Sieht ein wenig aus wie ein Pfannenwender mit extrem großen Löchern.

Dry cow –  eine dry oder wooden cow war eine Art Spritze, ähnlich wie eine Fahrradpumpe, mit der man die Milch in den Syllabub gab.
“This device is first mentioned in print by William Salmon in the 2nd edition of The Family Dictionary published in 1696 – “squirt your Milk and Cream into the Pot, with a wooden Cow, sold at the Turners”. In another recipe which Salmon added to the 4th edition of 1710, we are clearly told that this mysterious instrument was a syringe – “squirt the Milk and Cream into the Pot with a wooden Syring” This was probably like a modern bicycle or stirrup pump and may have been related to a device called a butter squirt, used in the kitchen for making syringe fritters and jemelloes” Quelle:  Ivan Day, 1996 http://www.historicfood.com/Syllabubs%20Essay.pdf (Die Seite ist übrigens ein wahrer Schatz für Liebhaber alter Rezepte)