Übersetzer – Kramladen oder Fachgeschäft

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Ich mag Kramläden. Man kann in ihnen herumstöbern, findet manchmal echte Schnäppchen, aber meist dann doch nur Dinge minderer Qualität. Wenn ich wirklich etwas vernünftiges kaufen will, suche ich ein Fachgeschäft auf.
Tag für Tag entscheiden wir uns für Spezialisten: die Brille ist kaputt – auf zum Optiker; das Auto defekt – schnell in die KFZ-Werkstatt; Zahnschmerzen – Termin beim Zahnarzt holen. In all diesen Fällen suche ich gezielt nach Fachleuten.

Wenn Kunden aber nach einem Übersetzer suchen, zählt für sie oftmals nur ein Kriterium: der Preis. Sie schauen nicht, welche Fachgebiete der Übersetzer hat, sie suchen nicht gezielt nach einem passenden Übersetzer. In vielen Fällen suchen die Kunden nicht einmal selbst, sondern beauftragen eine Agentur, die ihnen „zum besten Preis“ eine Übersetzung liefern soll und die Agentur entscheidet sich dann in vielen Fällen ebenfalls für den billigsten Anbieter.

Warum ist das so? Zunächst einmal halten viele Menschen uns Übersetzer für nichts anderes als wandelnde Wörterbücher oder, noch schlimmer, menschliche Google-Translate-Maschinen. Wer kennt das nicht: Man befindet sich in Gesellschaft von Nicht-Übersetzern, nennt seinen Beruf und schon kommt „ach, sie sind Übersetzerin. Ich wollte schon immer wissen, was xxxx bedeutet.“ Meist handelt es sich um obskure Fachbegriffe aus einem Bereich von dem man noch nie gehört hat. Es nützt nichts, sobald man erklärt, dass man ohne Kontext, ohne Recherche keine Antwort liefern könne, sieht man dem Gegenüber an, was er denkt. „Na, so richtig viel versteht sie ja nicht von ihrem Job.“
Dabei zeigt genau diese Reaktion, dass man als Übersetzer ebenfalls ein „Fachmann“ ist: kaum einer von uns würde sofort spontan einen Begriff übersetzen, Kontext ist bei uns alles. Welches Fachgebiet, welche Zielgruppe usw. Wir sind Fachleute auf unserem Gebiet, mit langjähriger Ausbildung, Weiterbildung, Eigeninitiative beim Lernen – und das hat, wie bei allen Fachleuten, seinen Preis. Würde man einen Fliesenleger damit beauftragen, das Dach eines Hauses zu decken? Nein, denn obwohl beides Handwerker sind, so hat doch der Dachdecker das spezielle Wissen für diese Aufgabe, nicht der Fliesenleger.

Ähnlich ist es bei den Übersetzern: Ein Übersetzer, der sich auf Rechtstexte spezialisiert hat, ist nicht unbedingt die beste Wahl für einen medizinischen Text; ein Experte für Mode nicht unbedingt jemand, der sich mit der Terminologie von Verträgen auskennt.
Im Umkehrschluss gilt auch: als Übersetzer sollte man nicht jede Art von Text annehmen, auch wenn es manchmal schwer fällt, lukrative Aufträge abzulehnen. Doch letztendlich gilt auch hier:
Wir sind Fachgeschäfte, keine Kramläden. Und wenn wir als Spezialisten angesehen werden wollen, so sollten wir uns auch so verhalten.

Jeder muss für sich selbst herausfinden, auf welchem Gebiet man sich spezialisiert. Viele erfolgreiche Übersetzer haben ein abgeschlossenes Studium als Ingenieur, Mediziner, Rechtsanwalt, andere haben ihre Hobbys zum Fachgebiet gemacht.

Dies erklärt vielleicht ein paar meiner Fachgebiete:

  • Wirtschaft – allgemeine wirtschaftliche Aspekte gehörten drei Jahre lang zu den Hauptaspekten des Studiums an der AKAD und waren Schwerpunkt meiner staatlichen Prüfung.
  • Business Intelligence und Datenvisualisierung – als Übersetzerin für eine Software-Firma, die in diesen Gebieten tätig ist, musste ich mich mit SAP-interner Sprache beschäftigen, die einzelnen Aspekte des SAP-Universum verstehen und übersetzen können.
  • Kulinarik – ein Hobby, das mehr ist als nur Kochen – Food Pairing, Bocuse d’Or, Sterneküche, Etikette, Anbaumethoden für Wein, Craft beer, chemische Reaktionen bei verschiedenen Kochtechniken, Inhaltsstoffe, Molekularstrukturen, Zutaten, Sous Vide, Küchengeräte: eine schier unendliche Liste von Dingen, die in dieses Thema hineinspielen – und jeden Tag lerne ich etwas Neues.
  • Forensik – ein etwas makaberes Hobby, ich weiß. Die Forensik ist faszinierend, auch hier spielen so viele Disziplinen zusammen, Blutanalysen, DNS, Maden, Fasern, Werkstoffe, Ballistik. Hier nehme ich ständig an Weiterbildungen in Form von MOOCs und Webinaren teil, lese Fachzeitschriften, verfolge neue Entwicklungen – aus einem Hobby wurde ein Fachgebiet.

Wie schon gesagt, Kramläden sind toll – und man kann Glück haben und ein Schnäppchen machen – aber richtig gute Qualität bekommt man im Fachgeschäft.